Du warst mein Liebling einst.
In jenen Tagen,
Als hehrster Sehnsucht Durst
mich fast versehrte,
Warst du das Kind, das ich am
Busen nährte,
Darin ein Herz erträumter Lieb’
geschlagen.
Du warst das Ohr für meine
Liebesklagen,
Das Echo, das mir einzig Trost
gewährte;
Denn wenn der Minne Brunst
mioch fast verzehrte,
Gedacht’ ich dein und konnt’
es leichter tragen.
Und immer noch, bei Nacht und
Wogenschäumen,
Erstehst du mir in ungeheurem
Träumen,
ein riesenhaft Phantom aus
düstern Räumen;
Mit dir gemeinsam streck’ ich
dann die Hände
Zum Himmel aus, daß er
Erlösung spende
Und eine Senta mir Bedürft’gem
sende.
Du warst der Sänger hehrster
Herzenswonnen,
Du hast zu reinster Lieb’ dich
aufgeschwungen,
Ein sel’ger Zustand, hat sie
dich durchdrungen,
In gold’nen Netzen hielt sie
dich versponnen.
Nie ward Frau Minnen solcher
Preis ersonnen,
Wie deiner Harf’ er
brünstig-keusch entklungen,
Nie hat ein Mund so göttlich
rein besungen
Der Menschenschönheit hehren
Wunderbronnen.
Mein Lieblingssänger bist du
einst gewesen,
Prophet am Hochaltar der
Jugendschöne,
Vor dem wir jeder Liebespein
genesen.
Zum Liebesherold sei mir auch
erlesen,
Denn mir enthüllten deine Wort’
und Töne
Der eignen Liebe
wunderhehrstes Wesen.
Du bist der wahre Mensch. In
deinem Herzen
Sind Sinnenglut und reine Lieb’
verbunden;
Indes die Linke Venus hält
umwunden,
Beschwört die Rechte keuscher
minne Schmerzen.
Ob auch der Seele Heil du
konnt’st verscherzen,
Hast doch der Wollust Rausch
du ausempfunden;
Doch sterbend noch erkannt in
letzten Stunden:
Die Lieb’ erlöst, nicht
Taumels Flammenkerzen.
Dich lieb’ ich, sieh! denn
würd’ ich je dich hassen,
So haßt’ ich mich und was ich
tu und treibe,
Da du ein bild von meinem Tun
und Lassen.
Beherrscht mich doch das
nämliche Zerwürfnis:
Bald wilder Fieberdurst nach
jungem Leibe,
Bald reinster Sehnsucht
hehrstes Liebbedürfnis.
Du bist mein Held! Dich lieb’
ich, so wie keinen,
So liebt dich keiner, lieben
gleich dih viele,
Du bist der Held von meinem
Trauerspiele,
Mein eignes Schicksal leb’ ich
in dem deinen.
Vereinsamt in dem Dienst des
göttlich Reinen,
Ersehnst ein Wesen du, das dir
gefiele,
Doch unverstanden kehrst du um
am Ziele,
Zurück zu Monsalvat, dem dein’
und meinen.
Das ist das Trauerspiel der
Künstlerliebe,
Der Hochnaturen tragischen
Bestrebens,
Zu finden drunt im Tal die
gleichen Triebe.
Verständnis suchen ewig sie
vergebens!
Das lehrt mich er, der sonst
zurück nicht stiebe,
Und die Geschichte meines
Liebeslebens!
In unsrer Zeit von groß und
kleinen Knechten,
Wo höchste Tugend ist die
Selbstverneinung,
Erscheinst du mir die strahlendste
Erscheinung,
Entsandt, dem Ich die Freiheit
zu erfechten.
Du weisest hin nach seinen
heil’gen Rechten,
Erlöst es aus dem blinden Joch
der Meinung,
Und predigst dennoch edle
Liebvereinung
Und wahrst es doch vor allem
wirklich Schlechten.
Wie sollt’ ich dir nicht
Lobeshymnen singen!
O laß dich meinen Meister
stets mich heißen,
Wenn’s gilt, mein Ich gen
außen zu erzwingen;
O lehr’ aus Gall’ und Geist
ein Schwert mich schweißen,
Und Fafnern Alltag, der mich
will verschlingen,
Mit Nothungs Kraft
zerschwingen und zerschmeißen
Der
fliegende Holländer, II.
Beim Gartenfest. – Die Militärkapelle
Schloß just ein Potpourri von
Gassenhauern.
Da schreien, johlen, klatschen
sie gleich Bauern,
Lawinenhaft wälzt sich des
Beifalls welle.
Zum Wechsel tönt es jetzt aus
andrer Quelle,
Die ewig wird den Wechsel überdauern;
Und mich ergreist’s mit hehren
Wonneschauern,
Dann wie aus höhern Welten
klingt die Stelle:
„Wann wird dem bleichen Mann
Erlösung werden?“
Das Lied verhallt. Doch stumpf
in Geistumnachtung
Verharrt und teilnahmslos das
Pack der Herden.
O schaler Teig! Gedroschnes
stroh! O binsen!
Dir Mitleid nur und Lachen und
Verachtung
Und Selbstgefühl und Hohn und
Satyrgrinsen!
Der
fliegende Holländer, II.
Als Holländer aus fernster
Meere Weiten
In Dalands Stube tritt nach
langer Reise,
Und vor sich sieht, daß er die
Stunde preise,
Die Maid, erträumt seit bangen
Ewigkeiten;
Da, in der Brust, der
plötzlich grambefreiten,
Zieht Sehnsucht neu der
Hoffnung schwanke Kreise,
Und hehr erschaudernd stimmt
er an die weise:
„Wie aus der Ferne längst
vergang’ner Zeiten –„
O süßes Lied, mir Göttertrank
und –Speise
In Neustadts Zeit, in gold’nen
Jünglingsagen,
Als ich Traumliebchen sang auf
tausend Saiten,
O süßes Lied, sing’ ich aufs
neu’ dich leise,
Seh’ ich im Geist dies
Traumbild vor mir ragen,
wie aus der Ferne längst
vergang’ner Zeiten.
Tannhäuser,
II.
Der Tag verging. Die Sonn’ ist
schlafen gangen,
Der Mond schwebt auf und hellt
die Frühlingsnacht.
Ich lehn’ am Fenster – wieder faßt
mit Macht,
Wie abends stets, mich glühend
Liebverlangen.
Oh, jetzt an eines Mädchens
Brüsten hangen!
Jetzt halten einen Leib voll
Götterpracht!
Ein Antlitz küssen, das mir
heischend lacht!
Wie fliegt mein Puls, wie
brennen mir die Wangen!
Da klingt mir aus des letzten
Zimmers Ferne
Durch ein’ge Türen Wolframs
hehre Weise:
„Da blick’ ich auf zu einem
nur der Sterne.“
Mit eins verwandelt ist mein
ganzes Wesen:
Anbetung senkt sich in das
Herz mir leise,
Und von der Sehnsucht selbst
bin ich genesen!
Tannhäuser,
III.
Das war im Juli zu Manövers
Zeiten.
Wir waren viele Stunden schon
gegangen,
Die Führer ließen selbst die
Köpfe hangen,
Ich konnte nur noch mühsam
weiter schreiten.
Da plötzlich, als wir um den
Fels gelangen,
Erglänzt uns eine alte Burg
vom weiten;
Flugs kommt mir in den Sinn
der Sänger Streiten,
Ich seh’ im Geist die Wartburg
vor mir prangen.
„Wie Todesahnung Dämm’rung
deckt die Lande.“
Schon hör’ ich Wolframs Lied
entlang des Tales,
Schon seh’ ich Pilger nahn im
Bußgewande:
Des ganzen Tages Niedres,
Hartes, Schales,
Den Schweiß, die Mühn, en
Marsch im Sonnenbrande,
Fegt ein Gedanke fort – an Ideales!
Lohengrin,
II.
Es gibt ein Glück – gepriesen sei
die Stunde,
Als mir dies Lied zum
erstenmal erklungen,
Als Tränen mir, dem leicht
entzückten Jungen,
Von Augen stürzten, starke,
urgesunde.
Es gibt ein Glück – Im tiefsten
Herzensgrunde
Empfand ich völlig mich davon
durchdrungen,
Wie Offenbarung klang’s von
Engelszungen,
Heraufkunft kündend neuem
Glaubensbunde.
Da fühlt’ ich’s ganz und
schwur mir’s ohne Reue,
Und schwör’ es stets, wenn ich
das Lied erneue:
Es gibt ein Glück – das kann
mir niemand rauben!
Ja, hört’ ich’s auch in
Schmerz und Unglücksnächten,
Ich stünde ab, mit meinem Gott
zu rechten:
Es gibt ein Glück – und also
einen Glauben!
Lohengrin,
III.
Bild meiner Sehnsucht, Szene
meiner Szenen,
Mir hehrster Wünsche Port, die
je ersonnen,
Mein Lebenstraum, mein
Herzenswunderbronnen,
Mir Glückes Inbegriff, ohn’
Reu’ und Wähnen!
Wie hab’ ich Tage oft und
Nächt’ in Tränen
Nach gleichem Glück gelechzt,
nach gleichen Wonnen,
An eines Mädchens Busen,
weltentronnen,
Auswickelnd all mein Fühlen,
Denken, Sehnen!
Wir sind allein!... Und sieh,
allein geblieben
Bin ich bis heut’, du
Traumerzeugte mein;
Du lebst wohl nicht, bist
nicht von Erdentrieben.
Und wenn du bist, und teilst
der Menschen Sein,
Und teilst mein Lechzen,
Sehnen, Schmachten, Lieben:
Was hilft es dir und mir? ...
wir sind allein!
Lohengrin,
III.
Ich saß im Garten vor des
Hauses Schwelle,
Spinozas Ethik vor mir
aufgeschlagen;
Aufs neu’ gedacht’ ich jener
alten Fragen
Von Gott und Sein und alles
Wesens Quelle.
Bin ich im Meer Substanz nur
eine Welle?
Ein flücht’ger Modus nur, der
nichts zu sagen?
Da horcht’ ich auf, denn am Klavier,
getragen,
Erklang mir aus dem Gartenhaus
die Stelle:
„Atmest du nicht mit mir die
süßen Düfte?“
Ich schloß das Buch, ich
starrte nach der Richtung,
Wie Offenbarung tönt’ es durch
die Lüfte!
Des Denkens Bau zerfiel, wie
Glas zerbrechlich,
ich staunte fraglos in die
Wellendichtung,
mein Wesen schwoll und
schwelgte unaussprechlich!
Lohengrin,
III.
Verraten von dem Mädchen
seiner wahl,
Im tiefsten Herzen einsam,
unverstanden,
Verkannt’ von ihr, die seine
Arm’ umwanden,
Um die er floh em kalten
Göttersaal,
So steht er da in lichtem
Silberstrahl,
Zu flüchten sich aus ird’scher
Liebe Banden,
So ruft er, halb schon in
Erwählter Landen:
„Schon sendet nach dem
Säumigen der Gral!“
Auch ich, wenn Lieb’ sich in
das Herz mir stahl,
Wenn Seel’ und Sinne kurzen
Rausch empfanden,
Ruf aus nach flücht’gem Glück
in bitt’rer Qual:
Schon ruft die Kunst, schon
winkt mein Ideal,
Schon droht Verrat, schon wird
mein Glück zuschanden –
„Schon sendet nach dem
Säumigen der Gral!“
Parsifal,
I.
Um Amfortas des alten Ritters
Klage
Tönt wie ein Aufschrei mir der
eig’nen Brust,
Der gleichen Drangsal fühl’
ich mich bewußt,
Den gleichen Dorn ich tiefst
im Herzen trage.
Ruft stündlich auch mein
göttlich Teil: Entsage!
Im Dienst des Grals liegt
alles Heil und Lust!
Der Weltlust Dämon schreit
voll Hohn: Du mußt,
mußt trinken! – und ich
trinke, und – verzage!
O Zwienatur, mit Satan Gott im Bunde!
Wer heilt die Martern je der
off’nen Wunde?
Wer schweigt die Sehnsucht
meines Fleisches still?
Rein, keusch und gotthaft fühl’
ich doch im Grunde!
Was wehrt mir Templer, daß ich
gottgesunde?
„Die Wunde ist’s, die nie sich
schließen will.“