Ottokar von Kraft                  Holländer

 

Du warst mein Liebling einst. In jenen Tagen,

Als hehrster Sehnsucht Durst mich fast versehrte,

Warst du das Kind, das ich am Busen nährte,

Darin ein Herz erträumter Lieb’ geschlagen.

 

Du warst das Ohr für meine Liebesklagen,

Das Echo, das mir einzig Trost gewährte;

Denn wenn der Minne Brunst mioch fast verzehrte,

Gedacht’ ich dein und konnt’ es leichter tragen.

 

Und immer noch, bei Nacht und Wogenschäumen,

Erstehst du mir in ungeheurem Träumen,

ein riesenhaft Phantom aus düstern Räumen;

 

Mit dir gemeinsam streck’ ich dann die Hände

Zum Himmel aus, daß er Erlösung spende

Und eine Senta mir Bedürft’gem sende.

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Wolfram

 

Du warst der Sänger hehrster Herzenswonnen,

Du hast zu reinster Lieb’ dich aufgeschwungen,

Ein sel’ger Zustand, hat sie dich durchdrungen,

In gold’nen Netzen hielt sie dich versponnen.

 

Nie ward Frau Minnen solcher Preis ersonnen,

Wie deiner Harf’ er brünstig-keusch entklungen,

Nie hat ein Mund so göttlich rein besungen

Der Menschenschönheit hehren Wunderbronnen.

 

Mein Lieblingssänger bist du einst gewesen,

Prophet am Hochaltar der Jugendschöne,

Vor dem wir jeder Liebespein genesen.

 

Zum Liebesherold sei mir auch erlesen,

Denn mir enthüllten deine Wort’ und Töne

Der eignen Liebe wunderhehrstes Wesen.

 

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Tannhäuser

 

Du bist der wahre Mensch. In deinem Herzen

Sind Sinnenglut und reine Lieb’ verbunden;

Indes die Linke Venus hält umwunden,

Beschwört die Rechte keuscher minne Schmerzen.

 

Ob auch der Seele Heil du konnt’st verscherzen,

Hast doch der Wollust Rausch du ausempfunden;

Doch sterbend noch erkannt in letzten Stunden:

Die Lieb’ erlöst, nicht Taumels Flammenkerzen.

 

Dich lieb’ ich, sieh! denn würd’ ich je dich hassen,

So haßt’ ich mich und was ich tu und treibe,

Da du ein bild von meinem Tun und Lassen.

 

Beherrscht mich doch das nämliche Zerwürfnis:

Bald wilder Fieberdurst nach jungem Leibe,

Bald reinster Sehnsucht hehrstes Liebbedürfnis.

 

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Lohengrin

 

Du bist mein Held! Dich lieb’ ich, so wie keinen,

So liebt dich keiner, lieben gleich dih viele,

Du bist der Held von meinem Trauerspiele,

Mein eignes Schicksal leb’ ich in dem deinen.

 

Vereinsamt in dem Dienst des göttlich Reinen,

Ersehnst ein Wesen du, das dir gefiele,

Doch unverstanden kehrst du um am Ziele,

Zurück zu Monsalvat, dem dein’ und meinen.

 

Das ist das Trauerspiel der Künstlerliebe,

Der Hochnaturen tragischen Bestrebens,

Zu finden drunt im Tal die gleichen Triebe.

 

Verständnis suchen ewig sie vergebens!

Das lehrt mich er, der sonst zurück nicht stiebe,

Und die Geschichte meines Liebeslebens!

 

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Siegfried

 

In unsrer Zeit von groß und kleinen Knechten,

Wo höchste Tugend ist die Selbstverneinung,

Erscheinst du mir die strahlendste Erscheinung,

Entsandt, dem Ich die Freiheit zu erfechten.

 

Du weisest hin nach seinen heil’gen Rechten,

Erlöst es aus dem blinden Joch der Meinung,

Und predigst dennoch edle Liebvereinung

Und wahrst es doch vor allem wirklich Schlechten.

 

Wie sollt’ ich dir nicht Lobeshymnen singen!

O laß dich meinen Meister stets mich heißen,

Wenn’s gilt, mein Ich gen außen zu erzwingen;

 

O lehr’ aus Gall’ und Geist ein Schwert mich schweißen,

Und Fafnern Alltag, der mich will verschlingen,

Mit Nothungs Kraft zerschwingen und zerschmeißen

 

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Wann wird dem bleichen Mann Erlösung werden?

                                                                              Der fliegende Holländer, II.

 

Beim Gartenfest. – Die Militärkapelle

Schloß just ein Potpourri von Gassenhauern.

Da schreien, johlen, klatschen sie gleich Bauern,

Lawinenhaft wälzt sich des Beifalls welle.

 

Zum Wechsel tönt es jetzt aus andrer Quelle,

Die ewig wird den Wechsel überdauern;

Und mich ergreist’s mit hehren Wonneschauern,

Dann wie aus höhern Welten klingt die Stelle:

 

„Wann wird dem bleichen Mann Erlösung werden?“

Das Lied verhallt. Doch stumpf in Geistumnachtung

Verharrt und teilnahmslos das Pack der Herden.

 

O schaler Teig! Gedroschnes stroh! O binsen!

Dir Mitleid nur und Lachen und Verachtung

Und Selbstgefühl und Hohn und Satyrgrinsen!

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten

                                                                              Der fliegende Holländer, II.

 

Als Holländer aus fernster Meere Weiten

In Dalands Stube tritt nach langer Reise,

Und vor sich sieht, daß er die Stunde preise,

Die Maid, erträumt seit bangen Ewigkeiten;

 

Da, in der Brust, der plötzlich grambefreiten,

Zieht Sehnsucht neu der Hoffnung schwanke Kreise,

Und hehr erschaudernd stimmt er an die weise:

„Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten –„

 

O süßes Lied, mir Göttertrank und –Speise

In Neustadts Zeit, in gold’nen Jünglingsagen,

Als ich Traumliebchen sang auf tausend Saiten,

 

O süßes Lied, sing’ ich aufs neu’ dich leise,

Seh’ ich im Geist dies Traumbild vor mir ragen,

wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten.

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Da blick’ ich auf zu einem nur der Sterne

                                                                              Tannhäuser, II.

 

Der Tag verging. Die Sonn’ ist schlafen gangen,

Der Mond schwebt auf und hellt die Frühlingsnacht.

Ich lehn’ am Fenster – wieder faßt mit Macht,

Wie abends stets, mich glühend Liebverlangen.

 

Oh, jetzt an eines Mädchens Brüsten hangen!

Jetzt halten einen Leib voll Götterpracht!

Ein Antlitz küssen, das mir heischend lacht!

Wie fliegt mein Puls, wie brennen mir die Wangen!

 

Da klingt mir aus des letzten Zimmers Ferne

Durch ein’ge Türen Wolframs hehre Weise:

„Da blick’ ich auf zu einem nur der Sterne.“

 

Mit eins verwandelt ist mein ganzes Wesen:

Anbetung senkt sich in das Herz mir leise,

Und von der Sehnsucht selbst bin ich genesen!

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Wie Todesahnung Dämm’rung deckt die Lande

                                                                              Tannhäuser, III.

 

Das war im Juli zu Manövers Zeiten.

Wir waren viele Stunden schon gegangen,

Die Führer ließen selbst die Köpfe hangen,

Ich konnte nur noch mühsam weiter schreiten.

 

Da plötzlich, als wir um den Fels gelangen,

Erglänzt uns eine alte Burg vom weiten;

Flugs kommt mir in den Sinn der Sänger Streiten,

Ich seh’ im Geist die Wartburg vor mir prangen.

 

„Wie Todesahnung Dämm’rung deckt die Lande.“

Schon hör’ ich Wolframs Lied entlang des Tales,

Schon seh’ ich Pilger nahn im Bußgewande:

 

Des ganzen Tages Niedres, Hartes, Schales,

Den Schweiß, die Mühn, en Marsch im Sonnenbrande,

Fegt ein Gedanke fort – an Ideales!

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Es gibt ein Glück, das ohne Reu’

                                                                              Lohengrin, II.

 

Es gibt ein Glück – gepriesen sei die Stunde,

Als mir dies Lied zum erstenmal erklungen,

Als Tränen mir, dem leicht entzückten Jungen,

Von Augen stürzten, starke, urgesunde.

 

Es gibt ein Glück – Im tiefsten Herzensgrunde

Empfand ich völlig mich davon durchdrungen,

Wie Offenbarung klang’s von Engelszungen,

Heraufkunft kündend neuem Glaubensbunde.

 

Da fühlt’ ich’s ganz und schwur mir’s ohne Reue,

Und schwör’ es stets, wenn ich das Lied erneue:

Es gibt ein Glück – das kann mir niemand rauben!

 

Ja, hört’ ich’s auch in Schmerz und Unglücksnächten,

Ich stünde ab, mit meinem Gott zu rechten:

Es gibt ein Glück – und also einen Glauben!

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Wir sind allein

                                                                              Lohengrin, III.

 

Bild meiner Sehnsucht, Szene meiner Szenen,

Mir hehrster Wünsche Port, die je ersonnen,

Mein Lebenstraum, mein Herzenswunderbronnen,

Mir Glückes Inbegriff, ohn’ Reu’ und Wähnen!

 

Wie hab’ ich Tage oft und Nächt’ in Tränen

Nach gleichem Glück gelechzt, nach gleichen Wonnen,

An eines Mädchens Busen, weltentronnen,

Auswickelnd all mein Fühlen, Denken, Sehnen!

 

Wir sind allein!... Und sieh, allein geblieben

Bin ich bis heut’, du Traumerzeugte mein;

Du lebst wohl nicht, bist nicht von Erdentrieben.

 

Und wenn du bist, und teilst der Menschen Sein,

Und teilst mein Lechzen, Sehnen, Schmachten, Lieben:

Was hilft es dir und mir? ... wir sind allein!

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?

                                                                              Lohengrin, III.

 

Ich saß im Garten vor des Hauses Schwelle,

Spinozas Ethik vor mir aufgeschlagen;

Aufs neu’ gedacht’ ich jener alten Fragen

Von Gott und Sein und alles Wesens Quelle.

 

Bin ich im Meer Substanz nur eine Welle?

Ein flücht’ger Modus nur, der nichts zu sagen?

Da horcht’ ich auf, denn am Klavier, getragen,

Erklang mir aus dem Gartenhaus die Stelle:

 

„Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?“

Ich schloß das Buch, ich starrte nach der Richtung,

Wie Offenbarung tönt’ es durch die Lüfte!

 

Des Denkens Bau zerfiel, wie Glas zerbrechlich,

ich staunte fraglos in die Wellendichtung,

mein Wesen schwoll und schwelgte unaussprechlich!

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Schon sendet nach dem Säumigen der Gral

                                                                              Lohengrin, III.

 

Verraten von dem Mädchen seiner wahl,

Im tiefsten Herzen einsam, unverstanden,

Verkannt’ von ihr, die seine Arm’ umwanden,

Um die er floh em kalten Göttersaal,

 

So steht er da in lichtem Silberstrahl,

Zu flüchten sich aus ird’scher Liebe Banden,

So ruft er, halb schon in Erwählter Landen:

„Schon sendet nach dem Säumigen der Gral!“

 

Auch ich, wenn Lieb’ sich in das Herz mir stahl,

Wenn Seel’ und Sinne kurzen Rausch empfanden,

Ruf aus nach flücht’gem Glück in bitt’rer Qual:

 

Schon ruft die Kunst, schon winkt mein Ideal,

Schon droht Verrat, schon wird mein Glück zuschanden –

„Schon sendet nach dem Säumigen der Gral!“

 

 

 

 

 

 

 

Ottokar von Kraft                  Die Wunde ist’s, die nie sich schließen will

                                                                              Parsifal, I.

 

Um Amfortas des alten Ritters Klage

Tönt wie ein Aufschrei mir der eig’nen Brust,

Der gleichen Drangsal fühl’ ich mich bewußt,

Den gleichen Dorn ich tiefst im Herzen trage.

 

Ruft stündlich auch mein göttlich Teil: Entsage!

Im Dienst des Grals liegt alles Heil und Lust!

Der Weltlust Dämon schreit voll Hohn: Du mußt,

mußt trinken! – und ich trinke, und – verzage!

 

 O Zwienatur, mit Satan Gott im Bunde!

Wer heilt die Martern je der off’nen Wunde?

Wer schweigt die Sehnsucht meines Fleisches still?

 

Rein, keusch und gotthaft fühl’ ich doch im Grunde!

Was wehrt mir Templer, daß ich gottgesunde?

„Die Wunde ist’s, die nie sich schließen will.“